Die Rheinpfalz, Sigrid Feeser
Da saß ein Poet am Klavier, ein verständig ziselierender Romantiker, der auch die Pranke ausfahren kann, wenn es der Notentext erfordert. Aber nur dann. Ungemein selbstverständlich klingt das, gute alte deutsche Schule beinah und fast ein wenig altmodisch. Soviel Ernsthaftigkeit haben manche im hochglanzpolierten Musikbetrieb wohl nicht (mehr) auf dem Schirm.
Ohne spitze Finger
Erster Beweis: eine E-Dur-Sonate (K 215) aus der Feder des Cembalo-Meisters Domenico Scarlatti, dessen in einem höfischen Umfeld heimischen Bravourstücke man gern auf eben jenem Instrument hören möchte. Was der Gast mit liebenswerter Unaufgeregtheit von sich wies – und das, obwohl er sich mit dem Spiel auf dem Cembalo und der historischen Aufführungspraxis des 18. Jahrhunderts durchaus auseinandersetzt. Das Gleiche galt für Bachs a-Moll-Partita (BWV 827), diese in einer dem modernen Flügel angepassten, frappierend romantisierenden Lesart. Wobei allerdings zu sagen ist, dass das spezifisch Aufgekratzte, ja lässig Virtuose des Zyklus’ etwas ins Hintertreffen geriet. Da fehlten Rokni ganz einfach die spitzen Finger des pianistischen Übermuts. Ein Fehler? Nicht unbedingt, man kann es auch so machen.
Dann Brahms, die frühen Variationen über ein Thema von Robert Schumann (fis-Moll op. 9), deren rhapsodische, zwischen tiefer Nachdenklichkeit und juvenil-emphatischem Überschwang oszillierende Machart eine erstaunlich reife, in sich stimmige Deutung fanden. Während Schuberts (spätes) Allegretto in c-Moll (D 915) mit dem Status eines wohlformulierten Überleitungsstückes zu Prokofjews ebenfalls in c-Moll stehender Klaviersonate op. 29 begnügen musste. Die ist nun ein Werk der durch seinen rabiaten Finalsatz nur scheinbar aufgelockerten Düsternis, die unter den Händen von Arash Rokni zu einem introvertierten, melancholisch verschatteten Vorzeigestück wurde, dem man mit Bewunderung folgte.
Kein Blendwerk
Man erlebte bei diesem wegen Corona vom Gesellschafts- in Feierabendhaus verlegten Konzert einen aufstrebenden Pianisten, bei dem nichts beliebiges Blendwerk ist. Einen Erzähler und Poeten, der – und dies ist kein Widerspruch – auf eine fast schon objektive Weise sehr persönlich spielt. Dem folgten anhaltender Beifall und zwei alles Virtuose meidende Zugaben.